ProGasLicht

ProGasl icht e.V.

Verein zur Erhaltung und Förderung des Gaslichts als Kulturgut

 

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Gaslicht ist Kulturgut

Artikel aus dem Mitteilungsblatt “Der Zündfunke”, Heft 4/2009.

Berliner Kiez:  Alt-Rudow. Berlintypische  Hänge- und Aufsatzleuchten (Foto: Jurziczek)

Kulturgut Gaslicht

In der Mythologie ist die Entwicklung des Menschen entscheidend vom Umgang mit Feuer und Licht geprägt. Das Feuer wurde kultiviert.

Das war ein entscheidender Unterschied zwischen Mensch und Tier, da der Mensch sich das Feuer zu Eigen machte. Der Jahrhunderte andauernde Entwicklungsprozess von Licht und Feuer führte in der Endkonsequenz über die  Umwandlung von primärer Energie in brauchbare Alltagskultur und zur Entwicklung der Gasbeleuchtung.

Hinter dem Gaslicht stehen großartige Erfindungen und ingenieurtechnische Leistungen früherer Generationen. Das künstliche Licht in der Nacht und die Wärme im Winter gehören zu den wichtigsten Meilensteinen in der kulturgeschichtlichen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft.

Die Nutzung von erzeugtem oder in der Natur vorkommenden Gas als Energie für Licht und Wärme war und ist ein wesentlicher Schritt im menschlichen Bestreben, Unabhängigkeit von den natürlichen Bedingungen zu erlangen und sich den gesamten Planeten zum Lebensraum zu machen.

Um den kulturellen Wert des Gaslichts zu verstehen, muss zuallererst ein Blick auf die Geschichte der Gasstraßenbeleuchtung und der Gasversorgung gerichtet werden.

Die Ursprünge einer Straßenbeleuchtung reichen bis in das 16. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit war man beispielsweise in Paris dazu übergegangen, vereinzelt Kienspäne und Pechpfannen in den Gassen der Stadt aufzuhängen. Ein Jahrhundert später konnte man schon eher von einer systematischen Straßenbeleuchtung sprechen. Benutzt wurden Rüb-Öllampen. Vorreiter war wieder Paris im Jahr 1667, 8 Jahre später folgte als erste deutsche Stadt Hamburg und 1679 Berlin.

Der Arzt Paracelsus (1492-1541) gilt als der erste Wissenschaftler, der die Herstellung eines brennbaren Gases im Labor praktiziert und beschrieben hat. Er hielt jedoch den Wasserstoff, der bei der Einwirkung von Säure auf Metall entstanden war, für Luft.

Johann Baptiste van Helmont (1577-1644) aus Brüssel, ebenfalls Arzt und Chemiker führte den Begriff Gas ein. Er erkannte die Notwendigkeit, zu unterscheiden in Dampf, der aus Wasser entsteht, in normale Luft und in Luft mit besonderen Eigenschaften, die aus der Verbrennung von Stoffen entsteht. Er gilt als Begründer der Gas-Chemie.

„Aber weil Wasser, im Dampf durch Kälte niedergeschlagen, in anderem Zustande ist als Dampf, der durch Hitze hervorgebracht ist, deswegen habe ich als freie Bezeichnung des Seltsamen, wegen Mangels eines Namens, jenen Dunst Gas genannt, nicht weit vom Chaos der Alten entfernt. Es möge mir genügen, zu wissen, dass Gas aus Dampf, Ruß und öligen Tropfen reichlich fein ist, obgleich gegen Luft vielmals dichter, und dass dem Stoff nach selbst Gas Wasser ist, durch Fermentation der festen Stoffe dazu entwickelt (Opera Omnia 1682). Der Stoff war da, er hatte einen Namen, und nun folgten die ersten Ideen und Versuche zur Gasverwendung.

Johann Joachim Becher (1635-1682), ein Arzt aus Speyer, erfand eine Universalsprache, beschäftigte sich mit chemischen und physikalischen Forschungen und Versuchen, er entwarf die Polizeiverordnung von Mainz und half bei den Plänen für den Rhein-Donau-Kanal. Wichtig für die Geschichte des Gases waren seine Talente im Bereich Handel und Wirtschaft. 1680 ging Becher nach England und erhielt dort ein Jahr später ein Patent auf die Herstellung des Steinkohleteers, womit Schiffe konserviert wurden. Das bei der Herstellung von Steinkohleteer und Koks entstehende Gas soll Becher abgefackelt haben. Heute vermutet man, dass Becher durchaus erkannt haben könnte, was mit Gas alles möglich ist. Dokumente für eine gezielte  Verwendung gibt es allerdings nicht.

Erstmals wurde Gas als Innenbeleuchtung 1786 durch den Apotheker Pichel aus Würzburg eingesetzt, er beleuchtete sein Laboratorium mit Gas, welches er aus der Trockendestillation von Knochen und Schlachtresten gewann. Die erste Gasbeleuchtung erfolgte also gewissermaßen mit gewonnenem Biogas aus Abfällen.

Dieses Abfall-Gas wurde also ohne Umwandlungsverlust zu Licht. Dies war schon damals ein zukunftsorientiertes Verfahren zur  Abfallvermeidung und Wiederverwertung. Ob ihm das wohl bewusst war?

In Europa begann das industrielle Zeitalter, zahlreiche Wissenschaftler und Ingenieure aus den verschiedensten Ländern wetteiferten um die Erforschung wissenschaftlicher Grundlagen oder Versuchstechniken. Andere Tüftler entwickelten Maschinen für eine technische Produktion.

3 Pioniere gelten als Begründer der Gasindustrie: Philippe Lebon (1767-1804), ein Physiker und Mathematiker aus Frankreich; William Murdoch (1754-1839), ein Techniker und Konstrukteur aus England, Mitarbeiter James Watts und schließlich Wilhelm August Lampadius (1772-1842), ein deutscher Hoch-schulprofessor mit engen Kontakten zur Industrie.

Lebon erhielt 1799 ein Patent auf das Gaserzeugungsverfahren durch das Verkohlen von Holz. In einen Ofen aus Ziegeln setzte er eine mit Holzspänen gefüllte metallische Muffel ein, fing das Gas unter Wasser auf und erhielt eine leuchtende Flamme. Dies war sozusagen das erste Gaswerk.

Murdoch besaß keine Patente, er experimentierte wie Lebon, allerdings verwendete er Steinkohle zur Gaserzeugung. 1792 beleuchtete William Murdoch mit Gas, das er aus Steinkohle gewann, sein Haus in Redruth/England. 1802 ließ Murdoch die Fabrik von Watt aus Anlass des Friedens von Amiens mit einer Gasbeleuchtungsanlage illuminieren.

Lampadius dürfte aufgrund einiger Veröffentlichungen zu Versuchen mit Leuchtgas und einer Thermolampe zur Gasbeleuchtung gekommen sein. 1799 führte Lampadius eine derartige Thermolampe dem sächsischen Kurfürsten in Dresden vor. Aus dem Jahre 1802 sind später 5 weitere derartige Lampen bekannt geworden, jedoch nicht als öffentliche Beleuchtung, sondern eher für einen Jahrmarkt.  

Gleichwohl gilt England als das Geburtsland der Gasbeleuchtung. Nach unterschiedlichen Quellen soll Philadelphia/USA schon im Jahre 1803 Gaslaternen aufgestellt haben. Definitiv bekannt ist es von London. Dort wurde 1813 eine Gasanstalt errichtet.

Auf dem europäischen Kontinent gingen die ersten Gaslaternen in Paris und Wien in Betrieb, die ersten deutschen Städte mit Gasbeleuchtung waren 1826 Hannover und Berlin. Damit war die öffentliche Gasversorgung in Deutschland geboren.

Die Gasversorgung war die erste Form einer zentralen Versorgung. Durch ein Rohrnetz waren nun Haushalte angebunden, bis dahin galt Jahrhunderte lang, dass ein Haus autark war, mit eigenem Brunnen sowie eigenen Licht- und Wärmequellen. Die Gasversorgung war mit ihrem Netz die erste erfolgreich umgesetzte Infrastrukturmaßnahme. An Wasser-, Abwasser- oder Stromnetze war noch lange nicht zu denken. Mit der Gasversorgung und dem Gaslicht konnten nun vor allem die aufkommenden Fabriken ausreichend beleuchtet werden, somit war das Gaslicht ein Motor der industriellen Revolution. Das immer stärker werdende Bürgertum verlangte schließlich nach Helligkeit nicht nur im privaten Bereich, sondern auch im öffentlichen Raum. Hier bot sich geradezu an, Gas-Straßenlaternen an die bereits vorhandenen Rohrleitungen anzuhängen, um den Nutzwert des Gases einzusetzen. Die Städte veränderten sich mit der fortschreitenden Industrialisierung rasant, das neue Gaslicht ließ die angebotenen Waren in hell erleuchteten Schaufenstern erstrahlen, mit den aufkommenden Laden-Passagen erhielten die Besitzbürger eine geschützte Flanier-Meile, die offene Straße wurde zum Innenraum. Und überall strahlte Gaslicht.

Berlin, Kurfürstendammbrücke am Bahnhof Halensee, Archiv  www.berliner-verkehrsseiten.de

Einen Meilenstein setzte Carl Auer von Welsbach 1885 mit der Erfindung des Gasglühlichts und der Entwicklung des Gasglühkörpers, auch Glühstrumpf genannt. Wurde bis dahin das Licht durch  die  Gasflamme selbst erzeugt, so erfolgte die Beleuchtung nun indirekt, maßgeblich war jetzt nicht mehr der Leucht-, sondern der Heizwert des Gases.  Bis heute kann das Gasglühlicht hinsichtlich seiner Farbtemperatur, Farbwiedergabequalität und des Lichtspektrums durch kein anderes Leuchtmittel ersetzt werden.

Zudem sorgte die Entwicklung der Gasbeleuchtung und des Gaslichts für einen Schub in der Metallurgie, also der Verarbeitung von Metallen, aber beispielsweise auch bei der Herstellung von Glasformen.

Einschneidende Veränderungen brachte die Entwicklung der elektrischen Beleuchtung, die zunächst aber nicht über wissenschaftliche Versuchsstadien hinausging. Ein Vorläufer zur Glühlampe entwickelte Heinrich Goebel im Jahre 1854. Aber erst die von Werner von Siemens entwickelten ersten Stromerzeuger (Dynamos) brachten die Elektrizität voran. Die Kohlefadenlampe als Weiterentwicklung der elektrischen Glühlampe, die Thomas Alva Edison 1879 vorstellte, brachte schließlich den Durchbruch. Mehr Bedeutung hatten elektrische Bogenlampen, die von Siemens & Halske entwickelt wurden, sie wurden 1879 in New York erstmals aufgestellt. Berlin folgte 1882. Es war die Geburtsstunde der elektrischen Straßenbeleuchtung. Von nun an entbrannte zwischen der Gas- und der Elektro-beleuchtung der Kampf um die Gunst der öffentlichen Beleuchtung.

Mit dem Aufkommen der Elektrizität musste es ganz zwangsläufig zum Konkurrenzkampf zwischen den beiden Energiearten kommen.  Dabei ist die technische Entwicklung der Gasleuchten aus heutiger Sicht weiterhin nützlich. Es war immer möglich unterschiedliche brennbare Gase zu verwerten. War es früher eher die Kohlevergasung, so ist es heute das Erdgas und in Zukunft auch Bio-Gas. „Energie-Mix“ heißt die Formel.

Die Leuchten, Brenner und technischen Anlagen zur Gasversorgung sind ausgesprochen langlebig und robust gebaut. Alle verwendeten Materialien sind sortenrein und können so nach Metallen, Kunststoffen und Glas getrennt werden. Recycling ist im vollem Umfang möglich und wird weitestgehend praktiziert.

Elektroleuchten bestehen meistens aus Verbundstoffen, die nicht zu trennen und zu verwerten sind. Viele Teile und die Leuchtmittel sind giftig und meistens wird die gesamte Elektroleuchte zum Sondermüll gegeben. Erinnert sei an den giftigen und hochbelasteten Elektroschrott von Natrium- und Quecksilber-dampflampen. Auch gasgefüllte Leuchtstoffröhren und besondere Beschichtungen von Leuchtkörpern sind sehr problematisch für die Umwelt.

Mit der Nutzung von primärer Energie wird in den Gasleuchten direkt und ohne Umwandlungsverluste Licht gewonnen.

Wohnstraße in Berlin (Dahlem) mit Aufsatzleuchte U7. Foto: Jurziczek von Lisone

Das Licht aus elektrischer Energie reicht qualitativ nicht an das Gasglühlicht der Auer-Glühstrümpfe heran. Dennoch wurde und wird ein Kampf um die Vorherrschaft auf den Straßen vor allem von Seiten der elektrischen Konkurrenz sehr aggressiv geführt. Deren überaus starke Geschäftsinteressen fanden schon vor Jahrzehnten Zustimmung in weiten Kreisen von Politikern, Verwaltungsmitarbeitern und Stadtplanern. So sorgte das Ergebnis des Zweiten Weltkrieges mit den Zerstörungen vieler Städte lediglich für den Vorwand, vieles, wenn auch erheblich in Mitleidenschaft gezogen, nun endgültig dem Abriss preiszugeben. Die städteplanerische und ästhetische Geschichtsfeindlichkeit vieler Verant-wortlicher vernichtete völlig unnötig historisch wertvolles Kulturgut. Der vielerorts noch existierende Bestand an Schönheit, zum Beispiel bei der historisch gewachsenen Straßenbeleuchtung  wurde ausgelöscht. Durch den Verlust heimatlicher Bezugspunkte ging die gefühlsmäßige Verbundenheit mit der eigenen Stadt verloren. Ein Hässlichkeitsprozess setzte ein und brachte ästhetischen Verdruss über die Gestaltung der Städte, die sich einem Modernisierungs- und Betonierungszwang  ausgesetzt sahen.

Inzwischen ist man zwar von dieser Form des Beton-Brutalismus größtenteils abgekommen - Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel – dafür werden nun wirtschaftliche oder umweltpolitische Aspekte in den Vordergrund geschoben, um dem Nischenprodukt Gaslicht und Gasbeleuchtung in einem letzten Elektrifizierungs-Feldzug den Garaus zu machen. Die Frage ist, was sich am Ende durchsetzen wird? Ein minderwertiger Ersatz oder qualitativ gutes Licht? Eine Laterne ist eben mehr als nur eine Lichtquelle. Sie ist und bleibt ein Signum des besonderen Geschmacks und der für jedermann sichtbaren Repräsentation als Gegengewicht einer ästhetischen Verarmung des Stadtbildes.

Mit Sicherheit werden die Entwicklungen auf den Gebiet der Beleuchtungstechnik und insbesondere dem Einsatz des Gaslichtes nicht stehen bleiben. Auch der Betrieb der Gaslaternen kann noch kostengünstiger aufrecht erhalten werden. Neue Zünd- und Regelgeräte sorgen teilweise schon heute dafür. Techniker arbeiten an wartungs-freundlicheren Brennerkonstruktionen und wirtschaft-licheren Materialien.

Wünschen wir uns, dass es in der Zukunft ein friedliches Nebeneinander schöner Leuchten und guten Lichts gibt und damit das kulturelle Erbe des Gaslichts erhalten bleibt.

-> Siehe auch Artikel „Kulturgut Gaslicht“ in der Fachzeitschrift „Licht“ von Dipl.-Ing. Michael Kraft in der Ausgabe 1-2/2009 www.lichtnet.de

Bettina Grimm

Bilderreihe oben von links nach rechts: Eine Tischlampe mit Stehlicht, nach 1900 * Eine Wandlampe mit Schnittbrenner. Vor 1900. Die Figur symbolisiert die vier Elemente der Klassischen Zeit: - mit dem Fischschwanz das Wasser, - mit dem menschlichen Rumpf das Säugetier, also die Erde, - mit den Flügeln die Luft, und - mit der Flamme der Lampe das Feuer! * Eine Tischlampe mit Argandbrenner * Eine Deckenampel mit Hängelicht "Killing", handbemalter Schirm, Fransen nach altem Muster neugefädelt  * Eine Hängelampe (Lyra) mit stehendem Glühlicht, vor 1900 * Eine Wandlampe mit zwei Armen aus der Übergangszeit um 1910, einmal Stehlicht, einmal elektrische Kohlefadenlampe; beide Energien dienen sich Gegenseitig als Alternative  * Eine Tischlampe als Nachtlampe mit Kleinstbrenner "Galilee". Bilder: Ara Kebapcioglu, Lumière de l'oil, Paris  http://lumiara.perso.neuf.fr/lumiara

Bilderreihe unten: Ansatzleuchte Frankfurt/Main * Nachtaufnahme Nebenstraße in Berlin (Dahlem) mit Aufsatzleuchte U7 * 6-flammige Reihenleuchte aus Berlin. Bilder: Jurziczek von Lisone

 

 

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